Das neue
Lebensfreude-Training

Schritt 6:
Unterscheide deutlich zwischen
Selbstwert und Fremdwert

 

Reine Lesezeit: ca. 12 Minuten

 

Was ist der Selbstwert und was ist der Fremdwert?

Oft wird vom „Selbstwert“ geredet. Wie viel bin ich mir selbst wert? Wertschätze ich mich selbst?
   Um meinen Selbstwert und damit auch meine Lebensfreude hoch zu halten, unterscheide ich deutlich zwischen meinem Selbstwert und meinem Fremdwert. Werde ich von anderen Menschen auf natürliche Weise bewertet (siehe Schritt 4), dann nenne ich das meinen „Fremdwert“. Ein anderer Mensch verfolgt bestimmte Ziele, hat bestimmte Wünsche und gibt mir (bewusst oder unbewusst) aus seiner Perspektive einen Wert. Er bewertet (bewusst oder unbewusst), ob und wie ich zu seinen Zielen, Wünschen, Vorstellungen passe.
   Dieser Fremdwert hat nichts mit meinem „Selbstwert“ zu tun. Mein Fremdwert hängt immer von den Bestrebungen der anderen Menschen ab. Passe ich gerade zu den Zielen eines anderen? Bin ich für den anderen und seine Ziele (Wünsche, Vorstellungen, Gewohnheiten) wertvoll oder wertlos? Deshalb ist der Fremdwert etwas, das definitiv „nicht zu mir gehört“ (siehe Schritt 5).

 

Viele Menschen vermischen Fremdwert und Selbstwert miteinander – und rutschen dadurch in eine persönliche Krise, wenn sie nicht zu den Zielen, Wünschen, Vorstellungen anderer Menschen passen. Sie denken, sie seien grundsätzlich nichts wert, wenn sie von anderen Menschen nicht „gewollt“ sind. Sie denken, sie werden nicht so geliebt, wie sie sind.
   Diese Krise entsteht, wenn man nicht die Sichtweise hat, dass aufgrund unserer unterschiedlichen Gehirne niemand sehen kann, wie ein anderer Mensch eigentlich wirklich „ist“. Niemand kann einen anderen Menschen „so lieben, wie er ist“, weil er nicht sehen kann, wie der andere Mensch „wirklich ist“.
   Wir können uns gegenseitig niemals vollständig kennen. Aber wir können das lieben, was wir im anderen sehen, was wir in ihn deuten, wie wir ihn interpretieren. Jeder Mensch bewertet ganz automatisch (meist unbewusst), ob das, was er in den anderen Menschen deutet, zu seinen eigenen Vorstellungen (Bestrebungen) passt. Dadurch gibt jeder dem anderen einen Wert – immer bezogen auf die eigenen Vorstellungen. Und der andere spürt diese Bewertung als „Fremdwert“. Er wird von jemand anderem (fremdem) bewertet.

 

Unser „Selbst“wert bezieht sich in Wirklichkeit allein auf unsere eigenen Ziele. Sind wir mit uns selbst bezogen auf unsere eigenen Ziele zufrieden? Und können wir uns deswegen selbst lieben und Freude mit uns haben? Wenn ja, dann haben wir einen hohen Selbstwert. Wenn nicht, wenn wir also unzufrieden mit uns selbst sind, dann ist der Selbstwert niedriger.
   Unser Selbstwert ist komplett unabhängig von anderen Menschen. Wir können unseren Selbstwert am besten bestimmen und fühlen, wenn wir für uns allein sind, niemand anderem zur Verfügung stehen und dadurch alles, was nicht zu uns gehört, von uns deutlich unterschieden haben.
   Sobald wir aber einem anderen Menschen zur Verfügung stehen und unsere Aufmerksamkeit auf seine Ziele gerichtet haben, spüren wir auch seine Bewertungen und damit unseren Fremdwert. Wir spüren, ob wir für den anderen und seine Ziele wertvoll sind, ob wir mit unserem Verhalten zu seinen Wünschen und Regeln passen oder nicht.

 

Da sich die Gehirne und die Ziele von uns Menschen immer voneinander unterscheiden, ist auch unser Fremdwert immer anders als der Selbstwert. Fremdwert und Selbstwert können niemals identisch sein, weil unsere Gehirne niemals identisch sind.


Fremdwert: Frage dich selbst im Kontakt mit anderen Menschen, wie sie dich wohl bezogen auf ihre Wünsche und Ziele bewerten. Und wie sie auf dich reagieren werden. Wie gut passt du wohl zu ihren Vorstellungen? Das ist dein von dir gedeuteter Fremdwert. Wenn du die anderen dann auch noch gezielt fragst, wie sie dich bewerten, dann erhältst du deinen Fremdwert ganz direkt (wenn sie ehrlich antworten). Mit diesem Fremdwert hast du nichts zu tun. Er gehört nicht zu dir. Er gehört zu den Menschen, die dich bewerten.


Selbstwert: Frage dich, wenn du mit dir allein bist, wie du dich selbst bezogen auf deine eigenen Wünsche und Ziele bewertest. Wie gut passt du selbst zu deinen eigenen Vorstellungen? Das ist dein Selbstwert. Mit diesem Selbstwert hast du alles zu tun. Du bestimmst selbst frei über deinen Selbstwert.

 

Falls du mit dir selbst unzufrieden bist und dein Selbstwert niedrig ist, kannst du ihn auf zwei Weisen regeln:

1. Entweder du lässt dein Ziel los, an dem du gerade dein eigenes Verhalten misst. Du hast liebevolles Verständnis für dich selbst, dass du dieses Ziel nicht so erreichen kannst, wie du es dir vorgestellt hattest. Du entscheidest: „Auch das gehört jetzt dazu, dass ich dieses Ziel nicht erreichen kann. Ich respektiere meine Grenzen und lasse mein Ziel los.“

2. Oder du änderst dein Verhalten so, dass du dein Ziel super gut erreichst.

   In beiden Fällen verbesserst du deinen Selbstwert und damit auch deine Lebensfreude. Mehr darüber in Schritt 7.

 

Frustrierender Widerspruch

Du verstrickst dich in eine unauflösbare Situation, wenn du das Ziel verfolgst, einem anderen Menschen so zu helfen, dass er glücklich sein Ziel erreichen kann. Machst du deine Lebensfreude davon abhängig, dass jemand anderes glücklich sein Ziel erreicht (oder generell in seinem Leben glücklich ist oder glücklich wird), dann ist dein Lebensfreude-Gefühl an das Gefühl der anderen Person gekoppelt und du kannst nicht mehr frei über deine Lebensfreude bestimmen.
   Wir können es auch so ausdrücken: Du knüpfst deinen Selbstwert direkt an den Fremdwert. Ist der andere also unglücklich und signalisiert dir, dass deine Hilfe für ihn nicht hilfreich ist, also wertlos ist, dann ist dein Fremdwert sehr gering, vielleicht sogar auf Null. Zusätzlich bist du dann auch noch mit dir selbst unzufrieden, weil du dein eigenes Ziel nicht erreichen konntest, den anderen glücklich zu machen. Dadurch ist dein Selbstwert ebenso gering - oder sogar auf Null. Gleichzeitig ist dein Kontakt zu deiner Lebensfreude gering und du fühlst dich insgesamt schlecht. Dabei bestimmt die andere Person über deine Lebensfreude mit, indem die Person entweder glücklich oder unglücklich ist. Bestimmt die andere Person, dass sie selbst unglücklich ist, dann macht sie dich gleichzeitig mit unglücklich.

 

Natürlich kannst du das Ziel verfolgen, andere Personen darin zu unterstützen, dass sie ihrer Lebensfreude und ihrem Glück immer näherkommen. Aber dabei bist und bleibst du immer nur eine Helferin. Die andere Person bestimmt über ihr eigenes Leben (Schritt 1).

   Übernimm also beim Helfen keine Verantwortung für das Ergebnis. Auf welche Weise die andere Person deine Hilfe nutzt, wie sie dich als Hilfskraft einsetzt und dir genau sagt, was sie zu ihrem Glück braucht, und ob sie tatsächlich durch deine Hilfe dann auch glücklich wird, bestimmt sie immer selbst. Damit hast du nichts zu tun. Das „gehört nicht zu dir“.

 

Damit du in erfolglosen Situationen dein (Frust?)Gefühl verändern kannst, biete ich dir folgende Idee zum Ausprobieren an: Wie ist dein Selbstwert, wenn du das Ziel verfolgst, dem anderen deine allerbeste Hilfe anzubieten? Du verfolgst beim Helfen nicht mehr das Ziel, die andere Person glücklich zu machen, sondern du verfolgst das Ziel, dein Bestes zu geben, damit die andere Person sich im besten Fall selbst glücklich machen kann. Hier übernimmst du Verantwortung dafür, dass du dein Bestes gibst. Du gibst dein Bestes und du weißt am Ende auch, dass du tatsächlich dein Bestes gegeben hast. Dann kannst du mit dir selbst zufrieden sein und dein Selbstwert ist hoch.
   Konnte der andere durch deine Hilfe aber trotzdem sein Ziel nicht erreichen und ist unglücklich, dann ist dein Fremdwert auch hier nur gering. Gleichzeitig bleibt dein Selbstwert hoch, weil du mit dir selbst zufrieden bist. Du hast dein Bestes gegeben. Besser ging nicht.

   Zusätzlich hast du Mitgefühl mit dem anderen und bietest auch weiterhin deine beste Hilfe an, falls er sie noch möchte. Auf diese Weise kannst du Lebensfreude beim Helfen entwickeln, ohne dass du von den Gefühlen der anderen Person abhängig bist.

 

Wenn du das Ziel verfolgst, dem anderen deine allerbeste Hilfe anzubieten, und der andere nimmt dein Angebot an und schafft es tatsächlich, mit deiner Hilfe sein Ziel zu erreichen, dann ist er glücklich. Dabei sind sowohl dein Selbstwert („Ich habe mein Bestes gegeben“) als auch dein Fremdwert („Der andere bewertet meine Hilfe als ‚sehr hilfreich‘ “) hoch – und das fühlt sich für dich höchstwahrscheinlich super gut an.

 

Die zielbezogene Wertung

Wie schon bei Schritt 4 beschreibe ich dir hier noch einmal, wie die würdevolle zielbezogene Wertung optimal funktioniert:

   Wenn wir eine eigene Wertung in uns spüren, dann üben wir uns darin, uns sofort unser eigenes Ziel wieder bewusst zu machen. Welches Ziel in uns (welcher Wunsch, welches Anliegen, welcher Wille, welche Gewohnheit, welches Bedürfnis, welche Vision …) ist die Ursache für unsere Wertung? Was wollen wir „eigentlich“? Und dann teilen wir unserem Umfeld zuerst dieses Ziel und dann unsere natürliche auf unser Ziel bezogene Wertung mit:
Weil ich den Wunsch (das Ziel)…xyz… habe, passt dein Verhalten gerade nicht zu meinem Wunsch. Es tut mir leid, dass ich bei dir nicht mitmache oder dir eine Grenze setze. Meine Wertung hat nichts mit dir zu tun. Ich habe sie einzig und allein, weil ich diesen bestimmten Wunsch …xyz… habe und daran festhalte. Nur deswegen bewerte ich dein Verhalten momentan als: zu meinem Wunsch nicht passend.

 

Stell dir vor, du wirst von einem anderen Menschen auf diese Weise bewertet. Wie fühlst du dich damit?
   Wenn wir von jemand anderem so eine würdevolle zielbezogene Wertung hören, dann wird dabei unser Fremdwert in zwei Bereiche eingeteilt:
1. Unser aktuelles Verhalten passt nicht zum Ziel des anderen = niedriger Fremdwert.
2. Als Mensch gehören wir für den anderen weiterhin dazu und werden in unserem Sein respektiert und gewürdigt = hoher Fremdwert.
    Beide Werte existieren gleichzeitig. Wenn wir in dem Moment auch noch mit uns selbst zufrieden sind, weil wir unser Bestes gegeben haben – ganz unabhängig von der Bewertung des anderen, dann ist zusätzlich unser Selbstwert hoch. Drei Werte, die unabhängig voneinander gleichzeitig wirken.

 

Eine zielbezogene Wertung kann sehr angenehm und würdigend wirken – und das nicht nur auf unser Gegenüber. Denn wenn wir auf diese Weise immer öfter, leichter und klarer zielbezogen werten und gleichzeitig andere Menschen in ihrem Menschsein würdigen, fühlen wir uns selbst gut dabei. Wir spüren, dass wir mit uns selbst klar und zufrieden sind. Wir spüren gleichzeitig, dass unsere Kommunikation so gestaltet ist, dass sie keine Entwürdigungen mehr enthält. Das kann sich sehr gut und entlastend anfühlen. Unsere Selbstzufriedenheit wächst. Und wenn wir mit uns selbst zufrieden sind und damit unser Selbstwert hoch liegt, dann fühlen wir uns mit uns selbst gut, fühlen uns frei und können viel mehr Lebensfreude leben, weil wir uns nicht mehr bremsen oder gestresst schützen müssen.
    Die zielbezogene Wertung als auch das Würdigen anderer Menschen in ihrem Menschsein führt automatisch zur Befreiung unserer eigenen Lebensfreude als auch weiterer Potenziale. Wir werden immer aktiver und kreativer, fühlen uns gleichzeitig immer mehr mit unserem Umfeld verbunden und haben Mitgefühl mit allem Schmerzlichen.

 

Der unangreifbare Selbstwert

Wenn ich meinen Selbstwert und meinen Fremdwert gut voneinander getrennt halte, fühle ich mich beschützt. Wertet mich im schlimmsten Fall ein anderer Mensch ab, dann bleibt mein Selbstwert unangreifbar bestehen. Ich kann klar denken, dass eine Fremdbewertung nichts mit meiner Selbstbewertung zu tun hat und nicht zu mir gehört. Dadurch schmerzt es mich zwar, dass der andere sich so verhalten muss. Es tut mir in der Seele weh – entweder durch Mitgefühl und Resonanz zum Schmerz des anderen oder durch eigenen Verlustschmerz. Gleichzeitig fühle ich mich aber mit mir selbst weiterhin gut, sobald ich aus dem unangenehmen Kontakt zum anderen wieder draußen bin. Es bleiben keine Selbstzweifel übrig. Ich bin weiterhin kreativ und suche nach noch mehr Stimmigkeit für mich selbst.

 

Persönlicher Bericht

Seit meiner Kindheit bis heute wurde und werde ich von anderen Menschen sowohl positiv als auch negativ bewertet. Meinen Schutz konnte ich durch meine Selbstanalyse so ausbauen und verfeinern, dass ich heute mit folgender Deutung lebe: Was ich durch andere Menschen an Wertungen erlebe, ist mein Fremdwert. Es ist der Wert, den mir andere Menschen bezogen auf ihre eigenen Ziele geben. Er gehört nicht zu mir. Allerdings kann ich diesen Fremdwert mitfühlen – als resonierende Empfindung in mir selbst.
   Mein Selbstwert ist davon komplett unabhängig. Er ist unverändert immer hoch, weil ich mit mir selbst vollkommen zufrieden bin und mich so lieb habe, wie ich bin bzw. wie ich werde. Schaue ich mein gesamtes Leben zurück, so kann ich heute sehen: „Mit mir war schon immer alles in bester Ordnung, in meiner Ordnung. Ich habe nur nicht immer in die Ordnungen anderer Menschen gepasst.

   Die früheren Bewertungen und Entwürdigungen anderer Menschen kann ich nachträglich umdeuten: Es waren ihre Bewertungen auf ihre eigenen Ziele bezogen. Sie gehörten und gehören nicht zu mir.
   Weil ich die Bewertungen anderer Menschen jetzt komplett auf ihre eigenen Ziele und Ordnungen beziehen kann, bin ich davon vollständig unabhängig und frei. Ich habe in Laufe meiner Lebensjahre das Potenzial entfaltet, mit dieser Deutung (Selbstwert / Fremdwert) leben zu können, die mich absolut frei fühlen lässt.
   Auch in meine Vergangenheit kann ich nun deuten, dass ich mich eigentlich nur selbst eingeschränkt hatte (selbstbestimmt) – und nie vom Umfeld eingeschränkt wurde. Nur meine damalige eigene Sichtweise hatte mir das Gefühl gegeben, durch die Bewertungen anderer eingeschränkt zu werden.

   Heute sehe ich: Das war mein eigenes Schutz-Netzwerk, das ich inzwischen so weiterentwickelt und verfeinert habe, sodass ich heute deute: Weil wir unterschiedliche Gehirne haben, habe ich mit den positiven und negativen Bewertungen anderer Menschen (Fremdwert) absolut nichts zu tun. Auch wenn ich diesen Fremdwert in Resonanz mitfühlen kann (Stressgefühle bei Abwertungen, gute Gefühle bei Aufwertungen) und Mitgefühl mit meinem Umfeld habe.
   Mit meiner Selbstbewertung habe ich absolut alles zu tun. Die bestimme ich komplett selbst. Niemand anderes. Ich bin allein der Chef über meine eigenen Ziele und meinen Selbstwert. Hier bin ich vollständig in meinem eigenen Zuhause. Immer. Das ist meine Menschenwürde. Und meine Menschenwürde ist sowieso immer unantastbar (siehe dazu auch Schritt 8). Denn weil niemand in mein Gehirn schauen kann, kann in Wirklichkeit auch niemand meine Ziele, mein Menschsein, meine Existenz für mich bewerten. Das geht gar nicht. Ich kann es nur ganz allein für mich bewerten – bezogen auf meine eigenen Ziele.

 

Wenn ein Mensch mich zu bewerten scheint, dann nutze ich die Deutungskraft meines Gehirns: Dieser andere Mensch deutet mich mit seinem eigenen Gehirn und zeigt mir gerade seine eigenen Ziele – und was dazu passt und was nicht. Ich kann damit gar nichts zu tun haben, weil der andere mit seinem anderen Gehirn mich niemals komplett wahrnehmen kann. Er deutet mich nur – auf seine Weise. Wenn ich will, könnte ich ihm sagen: „Ich deute, dass dein Gehirn deutet.“ Gleichzeitig lebe ich eine tiefe Verbundenheit zum Gegenüber und deute, dass wir unendlich viele Wahlmöglichkeiten mit unseren Gehirnen haben.

 

 

Hier erreichst du Schritt 7: Schmerzfreiheit beflügelt deinen Selbstwert

 

 

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